Die historische Gerhardt-Orgel in der Nietlebener Kirche
Die Orgel in der Nietlebener Kirche gilt als eine der historisch wertvollsten der Saalestadt. Sie wurde 1886 von Friedrich Gerhardt neu gebaut. Der Merseburger Orgelbauer (1826–1922) war seinerzeit in Mitteldeutschland sehr bekannt und angesehen und stellte einen ebenbürtigen Kollegen und starken Konkurrenten von Friedich Ladegast dar. Beispielsweise wurde Gerhardt nach seinem anerkannten Neubau der großen Orgel in der Merseburger Stadtkirche von Domkantor Engel engagiert, um die schwergängige Traktur der Ladegast-Orgel des Merseburger Doms leichtgängiger zu machen. Auch bei der Bewerbung um den Neubau der Naumburger Domorgel konnte sich Gerhardt gegen Ladegast durchsetzen.
Die Nietlebener Gerhardt-Orgel stellt ein besonderes Werk innerhalb der Geschichte des Orgelbaus dar. So dokumentiert sie den Übergang von der rein mechanischen Traktur zur Pneumatik. Da bei rein mechanischen Orgeln zwar gleichzeitig mit dem Drücken der Taste der Ton kommt, diese jedoch mitunter sehr schwer bespielbar sind, begann ab der Mitte des 19. Jh. die Entwicklung der Pneumatik. Die Nietlebener Orgel besitzt alle, zu der damaligen Zeit neuesten Erfindungen. So greift die im Ansatz mechanische Spieltraktur (der erste Weg von der Klaviatur in das Innere der Orgel) an ein pneumatisches Relais, von dem aus röhrenpneumatisch eine Balgleiste mit Barkerbälgchen angespielt wird, diese wiederum setzen eine in klassisch mechanischer Bauweise ausgeführte Kegelhubmechanik in Bewegung und bringen somit die jeweilige Pfeife zum Klingen. Dieses System ist sehr raffiniert gemacht und so kaum in anderen Orgeln zu finden. Aus diesem Grund ist das Instrument recht leicht spielbar und weist trotzdem kaum eine Verzögerung in der Tongebung auf.
Der Zustand der Orgel war in den Jahren um 2000 als verhältnismäßig schlecht einzuordnen. Zwar war sie spielbar, jedoch kam es bei großen Temperaturschwankungen immer wieder zu Störungen in der technischen Anlage. Wurde es im Sommer heiß und trocken, so verzog sich das Holz an dem die Wellen angebracht sind und Töne blieben vermehrt hängen, so dass die Orgel in der Zeit, in der die Gottesdienste in der Kirche stattfinden, oft nicht spielbar war. Das Innere der Orgel war darüber hinaus stark verschmutzt, der Magazinbalg, welcher für den regelmäßigen Luftdruck zuständig ist, die Windkanäle und fast alle pneumatischen Apparate waren undicht, Wellen klemmten im Wellenrahmen und alle Register mussten neu intoniert, bzw. gestimmt werden; um nur einige der Probleme und Aufgaben zu nennen.
Die Restaurierung der Nietlebener Orgel wurde in zwei Abschnitten in den Jahren 2011 und 2012 durchgeführt. In dem ersten Abschnitt sind die technischen Probleme behoben wurden, wobei zuerst die Orgel vollständig ausgebaut und in Einzelteilen in die Werkstatt des halleschen Orgelbauers Thorsten Zimmermann gebracht wurde. Innerhalb dieses ersten Abschnittes wurde die Windanlage repariert, der Spieltisch, welcher weitestgehend im Original erhalten ist, wurde gereinigt und ausgebessert und die Ton- und Registertraktur ausgebaut, überprüft und überholt, so dass eine langfristige einwandfreie Funktion hergestellt werden konnte. Der zweite Abschnitt befasste sich mit dem Klang der Orgel. In ihm erfolgten klangliche Rückführungsmaßnahmen und eine gründliche Aufarbeitung des Pfeifenwerkes. Dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend, fand 1962 eine sogenannte „Barockisierung” der Orgel statt, um das Klangbild insgesamt etwas aufzuhellen. Dabei wurden leider einige schöne Grundstimmen romantischer Klangfärbung beseitigt. Diese Umdisponierung wurde wieder dem Original entsprechend rückgängig gemacht. Als letzte Maßnahme wurden die Pfeifen und Register intoniert und gestimmt. Ziel der Intonation ist es, eine klanglich überzeugende und organische Einheit im Sinne Friedrich Gerhardts zu schaffen. Diese Arbeiten waren sehr wichtig, da sich am Ende die Orgel durch ihren Klang repräsentiert.
Wir hoffen, dass Sie einmal Gelegenheit haben werden, den Klang der restaurierten Gerhardt Orgel in unserer Kirche zu erleben.